Interview mit Anne Birgit Lontzen

Liebe Anne Birgit, Du hast ja die Entstehung und Entwicklung der Stiftung lichterzellen von Beginn an mit verfolgen können. Wie war das damals für Dich?

 

Für mich war es damals erstaunlich, dass sich jemand bei so einer seltenen Erkrankung Gedanken gemacht hat und so etwas langfristiges für uns Patienten aufgestellt hat. Bei mir war es am Anfang ja so, dass ich nicht mal in der Klinik Patienten kennengelernt habe. Ohne das lichterzellen-Forum hätte ich damals nie andere Patienten kennengelernt. Die Ärzte können sich ja fast nur um unsere Blutwerte etc. kümmern, die lichterzellen unterstützen Patienten in ihrem Alltag. Für mich wurden die lichterzellen zum „Ohr“, das uns zuhört und zur Stimme, die uns in der Öffentlichkeit vertritt.

 

Was denkst Du, was das Wichtigste für Patientinnen und Patienten sowie ihre Angehörigen ist, das die Stiftung lichterzellen bislang erreicht hat.

 

Wenn man die Diagnose bekommt, hat man einfach sofort einen Ansprechpartner über die Helpline. Die Infos der Internetseite mit Videos oder die Vernetzung der Patienten geben uns einfach das Gefühl, nicht alleine zu sein. Mir persönlich bedeuten die lichterzellen-Wochenenden auch sehr viel. Es ist einfach das Gefühl, dass jemand da ist!

 

Deine Rolle als Botschafterin der Stiftung ist wichtig. Was würdest Du als Deine Aufgaben sehen?

 

Meine Aufgabe sehe ich als Co-Moderatorin im Forum zeitnah auf Beiträge von Patientinnen und Patienten zu reagieren, aber auch meine persönlichen Erfahrungen an Patienten in Telefonaten weiterzugeben und ihnen zuzuhören und auf die Stiftung hinzuweisen. Ich gehe offen mit meiner Erkrankung um, und hoffe Menschen zu motivieren, uns zu unterstützen, ob nun durch eine Blutspende oder eine Spende für die Stiftung. Auf jeden Fall brauchen wir die Stiftung weiter!

 

Gibt es ein Projekt, das Deiner Meinung nach besonders von Bedeutung ist?

 

Eigentlich ist es das ganze Paket. Die Menschen, die hinter der Stiftung stehen, über die Patienten gesicherte Informationen erhalten und das Gefühl, nicht allein mit der Diagnose zu sein. Es wird einem die Hilflosigkeit genommen.

  

Welche Position hat die Stiftung in der Landschaft für Betroffene Deiner Meinung nach?

 

Nach dem Arzt kommen direkt die lichterzellen, würde ich sagen!

 

Hat sich die Situation für Patienten in den letzten 10 Jahren geändert? Falls ja, wie?

 

Ja, das hat sich sehr geändert. Man kommt besser an gesicherte und verständliche Informationen. Im PNH-Bereich hat sich natürlich auch viel bewegt. Es gibt mehr Medikamente und so kann den Patienten noch besser geholfen werden. Der persönliche Austausch unter Patienten durch die unterschiedlichen Angebote hat bei den Patienten und auch bei den Angehörigen viel verändert. Es ist ein richtig toller Zusammenhalt unter Patienten und Angehörigen geworden. Es hat fast familienähnliche Strukturen, in denen sich jeder aufgefangen fühlt.

  

Beim lichterzellen-Wochenende kommen Patienten, Angehörige und Ärzte zusammen. Gab es so etwas früher schon in anderer Form und was ist das Besondere an dieser jährlichen Zusammenkunft?

 

Naja, es gab die Patienten- und Angehörigenseminare in Essen und Ulm. Manche Namen aus dem Forum bekamen dort nun Gesichter. So wurden aus vielen Leidensgenossen liebe Freunde. Die Seminare waren aber immer so schnell vorbei, dass wir als harter Kern, der sich stetig erweiterte als letzte, ,,rausgekehrt“ wurden.

 

Auf dem lichterzellen-Wochenende genießen wir, mehr Zeit zu haben für Austausch und gemeinsame Unternehmungen. Unter Gleichgesinnten muss man sich für nichts rechtfertigen, daher ist das Zusammensein auf den Wochenenden so wertvoll und ist so guttuend. Und zusätzlich werden uns richtig schöne Momente beschert.

 

AA und PNH sind ja sehr selten. Hatte man früher auch Kontakt zu anderen Patienten und ist das wichtig für Betroffene und falls ja, warum?

 

Es gab das Forum seit 2005. Ohne das Forum wären wir aufgeschmissen gewesen. Es war ein geschützter Raum, in dem man sich verstanden fühlte. Und, ja, das ist sehr wichtig. Weil man sich nicht erklären muss und man ohne Worte verstanden wird. Das braucht man einfach, weil der Rest der Welt die Belastungen des Lebens mit den Erkrankungen nicht verstehen kann. Man hat ein Wir-Gefühl und kann sich gegenseitig unterstützen.

 

Was würdest Du Dir für die Zukunft noch für Patienten wünschen?

 

Dass nicht nachgelassen wird, die Erkrankungen zu erforschen, damit sie und die Fatigue besser behandelt werden können. Es wäre auch wichtig, dass die Erkrankungen noch bekannter werden, damit die medizinische Versorgung auch in nicht-spezialisierten Zentren besser wird. Und ich wünsche mir noch viele schöne lichterzellen-Wochenenden!

 

Was bedeutet Dir die Stiftung persönlich?

 

Die bedeutet mir sehr viel. Es stehen ja Menschen dahinter. Und die machen das mit Herzblut, Liebe und viel Engagement. Da spreche ich sicher für Viele, wenn ich sage, ich kann nicht dankbar genug sein!

 

Die Stiftung ist ja überschaubar und familiär. Ist das aus Deiner Sicht ein Vorteil und falls ja, warum?

 

Ja, ich würde sagen schon, weil man mit den Menschen in Kontakt ist und das kleine Team das WIR-Gefühl stärkt und wir Betroffene als Menschen mit Bedürfnissen und Problemen wahrgenommen werden.

 

Hat sich die Vertretung von Patienteninteressen als ein Projekt der Stiftung aus Deiner Sicht bemerkbar gemacht?

 

Ja, man merkt, dass zumindest die spezialisierten Ärzte eher darauf achten und eingehen, wie die Lebensqualität von Patienten tatsächlich ist. Da wurde früher weniger Fokus drauf gelegt. Es ist toll, dass uns Patienten jemand eine Stimme und es solche Fürsprecher gibt, die sich stark machen.

 

Hat sich auch auf Ärzteseite etwas verändert und falls ja, was?

 

Ich würde sagen, die Ärzte hören uns wirklich besser zu. Die Bereitschaft, die Perspektive von Patienten zu beachten und sie einzubeziehen.

 

Wie siehst Du die Zukunft für Betroffene?

 

Besser als ich sie mir je erhofft hätte. Wir haben einen starken Beistand, das ist gut zu wissen! Ich persönlich muss viel seltener in Krankenhaus. Es ist ein ganz anderes Lebensgefühl, obwohl ich immer noch oft eingeschränkt bin. Heute kann ich wieder Zukunftsträume haben.

 

Vielen Dank für Deine Unterstützung, Anne! Ohne Patientenbeteiligung wie Deine, wäre die Stiftung nur halb so wirksam und effektiv.

 

Name: Anne Birgit Lontzen

Seit wann erkrankt: 2009

Botschafterin der Stiftung lichterzellen

 

 

 

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